Der virtuelle Judenstern von Ingrid Brodnig
Hass und Häme für Opfer der Konzentrationslager, Drohungen gegen jüdische Journalisten: Im Netz erstarkt der Antisemitismus. Gerade Rechtsextreme nutzen die sozialen Medien geschickt für ihre Propaganda – wehrlos ist man jedoch nicht.
Esther Bejarano wurde im Frühjahr 1943 in einem Viehwaggon von Berlin nach Auschwitz deportiert. Die damals Achtzehnjährige überlebte das Vernichtungslager, indem sie vorgab, Akkordeon spielen zu können. Denn für das Mädchenorchester von Auschwitz wurde zu diesem Zeitpunkt eine Akkordeonistin gesucht. Bejarano war in einer musikalischen jüdischen Familie aufgewachsen und verfügte über so viel Talent, dass sie das Instrument mit ein wenig Improvisation tatsächlich spielen konnte – was ihr das Leben rettete.
Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano bei einer Demo in Berlin: Via Facebook attackiert
Foto: cc by-sa 3.0 de/Wikimedia
Heute ist Bejarano, eine der letzten Zeuginnen der Shoah, einundneunzig Jahre alt und erlebt eine neue Form des Hasses. Am 18. April 2015 schrieb ein User über sie auf Facebook: „Die große ‚Esther-Bejarano-Show‘, Lesungen, Vorträge und zum Schluss noch ein Konzert … Komischerweise werden überall in der Welt alte Menschen für ‚Beihilfe zum Massenmord‘ angeklagt und verurteilt, weil sie mit dem Naziregime kollaboriert hatten. Und nichts anderes hat diese Frau, die ‚um ihr Leben gesungen‘ hat, getan, sie hat andere mit einem lachenden Auge in den Tod gehen lassen, indem sie sich mit anderen FREIWILLIG zur Bildung eines Lagerchors gemeldet hat!! Die schöne Welt der scheinheiligen Doppelmoral …“
Dieser Kommentar ist perfide und vielsagend. Hier wird eine rhetorische Taktik angewendet, die rechtsextreme Internetnutzer gerne ergreifen: Sie verwischen die Grenze zwischen Tätern und Opfern. In diesem Posting wird ein Opfer der Shoah, das durch großes Glück das Konzentrationslager überlebt hat, gleichgesetzt mit Tätern des NS-Tötungsapparats, von denen viele leider bis ins hohe Alter einer juristischen Verfolgung entkommen konnten. Eine Täter-Opfer-Umkehr in Reinform.
Die Staatsanwaltschaft Fulda hat nun Anklage gegen diesen Internetnutzer wegen übler Nachrede und Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens eingebracht (Paragraf 188 des deutschen Strafgesetzbuches). Esther Bejarano hat diesen Facebook-Nutzer nämlich von einer Rechtsanwaltskanzlei anzeigen lassen. In einem Interview mit dem NDR erklärte sie, dass dieser Nutzer nicht nur sie persönlich, sondern „all diejenigen, die in Auschwitz gewesen sind“, verunglimpfe.
Klammern zur „Markierung“ von Juden. Journalisten wie „Bild“-Chef Dieckmann machten es zur Solidaritätsaktion
Ich halte es für sinnvoll, dass juristische Schritte ergriffen werden, wenn in solcher Häme über Opfer des NS-Systems im Internet gepostet wird – wenn Tabus fallen, die nicht fallen sollten. Bejarano sagte nach ihrer Anzeige auch: „Dass jemand bei Facebook unbehelligt so etwas schreiben kann, ist eine Schande. Dürfen denn die Nazis heute machen, was sie wollen?“
Diese Frage ist äußerst berechtigt. Natürlich ist das Internet nicht der Grund für Antisemitismus. Die Digitalisierung ist nicht die Ursache dafür, dass Menschen Hass und Vorurteile in sich tragen. Es wäre viel zu simpel, die politischen Probleme unserer Zeit rein auf das Internet zu schieben. Sehr wohl aber spielt das Netz oft eine Rolle – es ist erschütternd oft ein Instrument für jene, die Antisemitismus zur Normalität machen wollen. Die den Eindruck herstellen wollen, als sei es ganz normal, etwas Herabwürdigendes über Juden zu schreiben oder von einer zionistischen Weltverschwörung zu sprechen. Leider sind solche Thesen im Internet weit verbreitet.
Das Internet sollte eigentlich ein Ort der Aufklärung sein, an dem wir Menschen ohne Vorurteile miteinander diskutieren können. Oftmals ist es jedoch eine Spielwiese für Rechtsextreme und rechte Verschwörungstheoretiker. Die sozialen Medien werden geschickt zum Lancieren falscher Meldungen und dem Verbreiten antisemitischer Vorurteile genutzt.
Zum Beispiel hat die Facebook-Gruppe „Informationen, die uns Massenmedien vorenthalten!!!“ 24.000 Mitglieder. Sie ist ein Sammelsurium verschiedenster Verschwörungstheorien und absurder Falschmeldungen – allen möglichen Staatschefs wird unterstellt, die Marionetten dunkler Mächte zu sein, Russland wird verherrlicht, die USA werden verteufelt. Ein sechsminütiges Video spricht etwa von der „Macht der Rothschilds“. Ein geposteter Link führt zu einem Artikel, wonach der jüdische Investor George Soros an der Umvolkung Europas arbeite (und deswegen Flüchtlingen helfe). Ein in der Gruppe geteiltes Bild suggeriert, dass es den Holocaust nicht gegeben hätte, und man spricht dort vom „Holoclaus“. Der „Holoclaus“ ist eine Santa-Claus-Figur, deren Umrisse aussehen wie ein Hakenkreuz. Darunter der Satz: „6 Millionen Lüge seid (sic) 1915“. Immerhin siebzehn Likes erhält der Eintrag.
Wir haben offensichtlich online ein Problem mit Antisemitismus. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Untersuchung der EU-Agentur für Grundrechte. Ende 2012 befragte sie 5900 Juden in Europa. Fünfundsiebzig Prozent der Befragten gaben an, dass Antisemitismus im Internet in ihrem Land ein Problem sei. Und fast drei von vier waren der Meinung, dass es in den letzten Jahren schlimmer geworden sei.
In Zeiten hochkochenden Rechtspopulismus ist auch Antisemitismus umso stärker sichtbar. In den USA zum Beispiel bejubelten Neonazis den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Auf Twitter schwärmten sie davon, dass es unter Trump Konzentrationslager geben werde (wohlgemerkt: auch wenn Trump sehr viel Menschenverachtendes von sich gegeben hat, das hat er nie gesagt). Im amerikanischen Wahlkampf ist die Stimmung dermaßen ins Radikale entglitten, dass Rechtsextreme im Frühjahr 2016 begonnen haben, vermeintlich jüdische Journalisten auf Twitter zu markieren. Sie setzen drei Klammern rund um den Namen von Personen, die angeblich Juden sind. Wer einen jüdisch klingenden Namen wie Fleishman oder Rosenberg hat und Journalist ist, muss damit rechnen, als (((Fleishman))) oder (((Rosenberg))) in Tweets bezeichnet zu werden. Das soll anderen Antisemiten im Netz zeigen: Schaut her, ein Jude. Hier wird Menschen ein virtueller Judenstern angeheftet.
Ziel ist, jüdische Journalisten gezielt einzuschüchtern und einen digitalen Mob auf sie zu hetzen. Autoren, deren Namen von Rechtsextremen in drei Klammern gesetzt wurde, haben Morddrohungen erhalten; ihnen wurden Bilder geschickt, die sie als KZ-Gefangene zeigen; sie erhalten Witze über den Holocaust. Speziell, wer mit einem jüdisch klingenden Namen kritisch über Donald Trump berichtet, erntet solche Drohungen. In der Fachsprache nennt man es „Silencing“, wenn mit Aggression versucht wird, ungewünschte Gruppen oder Andersdenkende mundtot zu machen. Warum eignen sich gerade die sozialen Medien so gut für die Einschüchterung durch Hassgruppen? Und gibt es etwas, was wir dagegen tun können?
Der Kern des Problems ist, dass Aggression im Netz unglaublich erfolgreich ist. Im Jahr 2013 fanden die Wissenschaftler Daegon Cho und Alessandro Acquisti an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (Pennsylvania) heraus, dass Postings mit Schimpfworten mehr Zuspruch erhalten. Sie analysierten 75.000 Leserkommentare auf südkoreanischen Nachrichtenseiten und sahen sich auch an, welche Wortmeldungen von anderen Usern ein „Like“ erhielten, als „gut“ oder „hilfreich“ eingestuft wurden. Die Forscher sahen: Kommentare mit Schimpfworten erhielten mehr Likes, sie ernteten öfters Bestätigung. Wer andere beschimpft, erntet auffällig viel Applaus.
Und was passiert, wenn jemand viele Likes erhält? Viele Webseiten werden heutzutage von Algorithmen sortiert – also von klugen Computerprogrammen. Auf Facebook entscheidet ein Algorithmus, welche Beiträge die Nutzer eingeblendet bekommen. Postings, bei denen viele Nutzer auf „gefällt mir“ klicken oder diese kommentieren, werden dann umso mehr Menschen angezeigt. Wer besonders angriffig postet, erntet viele Likes von Gleichdenkenden, die ebenfalls aufgebracht sind. Darüber hinaus ist die Chance hoch, dass Andersdenkende dem Eintrag widersprechen wollen und darunter einen Kommentar hinterlassen. Der Facebook-Algorithmus wertet all dies als „Interaktion“ und somit als interessanten Beitrag, der umso mehr Nutzern daraufhin angezeigt wird.
Screenshots von Rechtsradikalen-Seiten im Internet: Üble Scherze zum Thema Holocaust
Es ist somit eine Kombination von menschlichen und technischen Faktoren, die schroffen Nutzern hilft: Wer hart postet, bekommt von Menschen mehr Likes. Und wer viele Likes erhält, dem gibt die Maschine namens Facebook noch mehr Sichtbarkeit. Wir leben also in einem digitalen Mediensystem, in dem Schreihälse mit umso mehr Aufmerksamkeit belohnt werden. Dazu passend zwei Statistiken: Erstens, wer ist der erfolgreichste österreichische Politiker auf Facebook? Der Rechtspopulist Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Zweitens, wer sind die erfolgreichsten deutschen Parteien in den sozialen Netzwerken? Nummer eins ist die rechtspopulistische AfD. Auf Platz zwei ist das Satireprojekt „Die Partei“. An dritter Stelle die rechtsextreme NPD. Dahinter dann Die Linke. Und erst danach kommen Parteien wie CDU, CSU, Grüne und SPD.
Wir leben offensichtlich in Zeiten, in denen Populismus und Nationalismus erstarken. Einen Teil ihres Erfolges verdanken diese Parteien auch den Mechanismen des Internets. Ein wichtiges Phänomen hierbei sind die „Echokammern“: Darunter versteht man digitale Räume, in denen Menschen vorrangig mit Informationen versorgt werden, die ganz ihrer Weltsicht entsprechen – wie ein Echo hallt die eigene Meinung darin zurück. Gerade die sozialen Medien machen es möglich, hauptsächlich jene Nachrichten zu beziehen und mit jenen Menschen zu diskutieren, die einen in der eigenen Sichtweise bestätigen. In solchen Echokammern können auch gut Angst und Wut geschürt werden: Wen beispielsweise Einwanderung eher beunruhigt, der kann online lauter Accounts abonnieren, die Tag für Tag die eigenen Ängste bestätigen, eine Horrormeldung jagt dort die nächste. Wem die Welt zu unbehaglich und zu komplex zu sein scheint, der kann auf Facebook Gruppen beitreten wie „Informationen, die uns die Massenmedien vorenthalten!!!“. Dort wird die Person dann auch erfahren, dass tatsächlich eine große Verschwörung im Gang ist – und sehr häufig sind am Ende Juden die vermeintlich Verantwortlichen, sie sind die Sündenböcke etlicher Verschwörungstheorien.
Antisemitismus im Netz: Video über die „Macht der Rothschilds“
Diese Echokammern voller Falschinformationen sind sogar messbar. Italienische Forscher vom Labor für Computational Social Science in Lucca in der Toskana analysierten das Nutzungsverhalten auf Facebook: Konkret werteten sie sämtliche Beiträge aus den vergangenen fünf Jahren von zweiunddreißig Fanpages zu Verschwörungstheorien aus sowie von fünfunddreißig Wissenschaftsseiten. Es zeigte sich, dass die Anhänger von Verschwörungstheorien großteils unter sich bleiben, dasselbe ist bei an Wissenschaftsneuigkeiten Interessierten der Fall. Es ist jedoch riskant, wenn sich Menschen sehr einseitig – und noch dazu einseitig mit Verschwörungstheorien – beschäftigen. Diese Falschmeldungen sickern nämlich ein: Viele Menschen bekommen dann immer wieder antisemitische Lügen eingeblendet – weil sie dubiosen Gruppen und Fanpages folgen – und denken sich dann: „Ich habe jetzt schon so oft von diesen Zionisten und ihren dubiosen Machenschaften gelesen, das kann doch nicht alles gefälscht sein, da muss doch zumindest ein bisschen was dran sein.“ Und so beginnt die Akzeptanz von komplett unbelegter, hasserfüllter Propaganda.
Die Frage ist nun, was können wir gegen diesen Judenhass im Netz tun? Es gibt drei Ebenen, auf denen wir ansetzen können: die gesellschaftliche, die unternehmerische und die private.
Als Gesellschaft haben wir die Möglichkeit, an Tabus festzuhalten – auch im Internet. Gerade das Strafrecht stellt eine klare rote Linie dar, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben. Im deutschsprachigen Raum gibt es als Reaktion auf die Shoah Gesetze gegen Hassrede gegenüber Minderheiten. Zunehmend wird der Tatbestand der Verhetzung, also der Aufruf zu Gewalt und das Schüren von Hass, auch angezeigt. Auf Facebook schrieb ein Nutzer: „Ich begrüße euch Juden mit zwei Worten: Heil Hitler und auf Wiedersehen.“ Das Landesgericht Leoben verurteilte ihn zu vier Monaten bedingter Haftstrafe. Ein anderer meinte: „da brauchen wir die Endlösung“, und erntete vom Landesgericht Salzburg drei Monate bedingt. Die Schuldsprüche wegen hetzerischer Postings sind im vergangenen Jahr massiv gestiegen: Österreichweit gab es vierundvierzig Verurteilungen wegen Verhetzung. Zum Vergleich: 2013 waren es nur acht gewesen, 2014 dreißig Verurteilungen.
Solche juristischen Konsequenzen zeigen, dass in unserer Gesellschaft Gewaltaufrufe oder die Verharmlosung und Gutheißung nationalsozialistischer Verbrechen nicht toleriert werden. Im Netz versuchen radikale Minderheiten oft so zu tun, als seien sie die Mehrheit. Sie nutzen das Internet wie einen Zerrspiegel und suggerieren, dass bereits der Großteil der Bevölkerung so verroht sei wie sie. Das stimmt aber nicht, wie eine Untersuchung des US-Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center zeigte. Dieses befragte im Frühjahr 2015 Menschen in den USA und Europa, ob der Staat Hassrede gegen Minderheiten verbieten soll.
In den USA waren nur achtundzwanzig Prozent der Bürger für Gesetze gegen Hassrede. In Europa sprach sich im Schnitt jeder Zweite dafür aus. Österreich wurde in der Umfrage nicht erfasst, sehr wohl aber Deutschland: Dort gaben sieben von zehn Bürgern an, dass sie Gesetze gegen Hassrede gut finden. Rechtsextreme tun gern so, als seien sie die „schweigende Mehrheit“. Aber das stimmt nicht: Sie sind weder schweigend noch eine Mehrheit. Und das sollten wir uns als Gesellschaft auch klarmachen.
Zweitens können auch Unternehmen – speziell die großen Plattformen – entschiedener gegen Hetze auftreten. Als etwa Neonazis in den USA begannen, jüdische Journalisten mittels drei Klammern an den Pranger zu stellen, war Twitter anfangs nicht einmal zu einer Stellungnahme bereit. Das Onlinemedium „Mic.com“, dessen Autoren selbst davon betroffen waren, deckte diese Vorgangsweise von Rechtsextremen auf. Twitter wollte nichts zu dieser neuen Methode sagen, verwies lediglich auf ein älteres, generelles Statement gegen Hassrede. Twitter hat im Umgang mit Mobbing und Hetze bisher nur langsam dazugelernt: Immer wieder war der Druck von Aktivisten notwendig, damit Sicherheitsfeatures eingeführt und ausgebaut wurden. Auch Transparenz fehlt, was diese börsennotierten Unternehmen denn gegen strafrechtlich relevante Wortmeldungen tun. Facebook zum Beispiel gibt nicht bekannt, wie viele Kommentare von Nutzern wegen Antisemitismus gemeldet und wie viel Prozent davon gelöscht werden. Ebenso wenig wissen wir, wie viele deutschsprachige Moderatoren der Konzern einsetzt (die Gesamtzahl der Moderatoren gibt Facebook auch nicht bekannt). Im Alltag erleben aber einige Nutzer, dass einzelne gemeldete antisemitische Postings nicht entfernt werden. Und das, obwohl Facebook in den eigenen Community-Standards behauptet, sämtliche Inhalte zu entfernen, die Menschen aufgrund ihrer „Rasse“, religiösen Zugehörigkeit oder Ethnizität angreifen. Hier könnten Plattformen wie Facebook oder Twitter ihre eigenen Regeln konsequenter umsetzen.
Zunehmend regt sich in etlichen Ländern der Widerstand gegen die Hassrede, die wir online beobachten: Zum Beispiel haben etliche Internetnutzer auf Twitter ihren eigenen Namen mittlerweile in drei Klammern gesetzt. Sie wollen sich damit solidarisch zeigen mit jenen Jüdinnen und Juden, die hier von Neonazis digital gebrandmarkt wurden. Das Ziel ist, für diese nicht erkennbar zu machen, wer nun Jude ist und wer nicht. Solche Beispiele digitaler Zivilcourage sind bedeutend: Jede und jeder Einzelne hat die Macht zu signalisieren, ob sie oder er diesen Antisemitismus ablehnt. Eine besonders intelligente Methode gegen den Hass im Netz ist dabei Humor.
Humor kann eine Form von Widerstand sein – selbst unter den allerschlimmsten Umständen. Schon Sigmund Freud schrieb: „Der Humor hat nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz und die Komik, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes (…). Das Großartige liegt offenbar im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs.“
Der Journalist Yair Rosenberg vom „Tablet“-Magazin macht sich beispielsweise sehr gekonnt über antisemitische Vorurteile lustig. Auf Twitter schrieb er einmal: „Mein 12.000. Follower kriegt ein Gratisticket zum geheimen Treffen, bei dem wir Juden entscheiden, wer der republikanische Präsidentschaftskandidat sein wird.“ Daraufhin retweeteten tatsächlich Neonazis diese satirische Wortmeldung und sahen es als Beleg der jüdischen Weltverschwörung. Woraufhin Rosenberg antwortete: „Das war ein Witz. Wir entscheiden so etwas nicht bei einem Treffen. Wir klonen künftige Präsidenten einfach in unserem Labor.“ Den Screenshot dieser absurden Unterhaltung teilte er online – und wurde dafür mehr als viertausend Mal retweetet.
Humor ist nur eine von vielen möglichen Antworten auf den Hass im Netz. Das Entscheidende ist aber: Es gibt Reaktionsmöglichkeiten – wir müssen sie nur endlich nutzen.
Foto Ingrid Brodnig: Ingo Pertramer/Brandstätter Verlag
Lesetipp:
Ingrid Brodnig
Hass im Netz
Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können.
Brandstätter Verlag, Wien 2016, www.brandstaetterverlag.com