„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, Vorwort von Erhard Stackl

Vieles, das zum Siebzig-Jahre-Jubiläum des Staates Israel veröffentlich wurde, drückt eine überkritische Haltung aus, die man im deutschen Sprachraum oft feststellen muss, wenn es um dieses Thema geht. „Warum kommt das Land nicht zur Ruhe?“, fragte etwa die „Zeit“ und stellte die Entstehungsgeschichte Israels dann als ein großes, von mitteleuropäischen Intellektuellen angebahntes Immobiliengeschäft dar, bei dem osteuropäische Zuwanderer auf dem von Arabern erworbenen Land angesiedelt wurden.

Wenig war davon die Rede, dass schon bei Theodor Herzl die Suche nach Rettung vor dem großen „Judenleid“ die Triebfeder war, weil im zaristischen Russland in wiederkehrenden Pogromen tausende Jüdinnen und Juden getötet oder verletzt wurden und zwei Millionen auf der Flucht waren. Abgesehen von religiösen oder nationalen Motiven („Im Land Israel entstand das jüdische Volk“, heißt es in der Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948) war dieser Wunsch nach einem sicheren Hafen auch nach 1945 für die Überlebenden des Holocaust (und später für Jüdinnen und Juden aus arabischen Ländern) die Raison d’Être, ein Daseinszweck.

Nach der Schoah, dem beispiellosen, an den Juden begangenen Menschheitsverbrechen, hatte die Welt kurz ein Einsehen. Mehr als zwei Drittel der UNO-Mitglieder, darunter die USA und die Sowjetunion, fassten 1947 „einen Beschluss, der die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel forderte“, wie es die Unabhängigkeitserklärung formuliert. Und: „Die damalige Anerkennung der staatlichen Existenzberechtigung des jüdischen Volkes durch die Vereinten Nationen ist unwiderruflich.“ Und doch ist den Bewohnern und Freunden Israels seit siebzig Jahren klar, dass bei jedem militärischen Konflikt, bei jedem auszuhandelnden Frieden diese Existenz auf dem Spiel steht. Wie offen und kritisch in Israel damit umgegangen wird, kann man auf den Seiten israelischer Medien im Internet nachlesen.

Ja, es gibt da immer wieder Phasen hoher Anspannung und auch gereizter Reaktionen, besonders auch dann, wenn es um Ratschläge geht, die von Europäern zum „Nahostkonflikt“ erteilt werden. Die Nachfahren jener, die bloß eine Dekade vor der Gründung Israels den Weg zur Verfolgung und dann zur Massenvernichtung von Juden eingeschlagen oder nichts dagegen unternommen haben, sollten ihre Ejzes für Israel noch lange Zeit zurückhalten.

Unerträglich wird es, wenn mitten in Wien junge Leute an einem Infotisch dafür werben, Israel politisch, wirtschaftlich und kulturell zu isolieren. Die sogenannte BDS-Bewegung läuft auf die Infragestellung des Existenzrechts von Israel hinaus. Ihr muss entgegengetreten werden (die Jüdische österreichische Hochschülerschaft und andere tun das auch).

In der gegenwärtigen, höchst unübersichtlichen Weltlage, gilt es aber auch vor falschen Freunden zu warnen. So manche, die gestern noch kaum verhüllt antisemitisch auftraten, suchen nun die Nähe Israels. Da geht es einerseits wohl darum, gesellschaftliche Respektabilität zu gewinnen, andererseits um die Suche nach Verbündeten im „Kampf gegen den Islamismus“, der Erfolgsformel der Rechtspopulisten.

In Österreich läuft das vor allem über Andeutungen und indirekte Avancen. Wer dasselbe Spiel in deutlichen Worten hören will, muss nach Deutschland schauen. Dort hat die schnell wachsende AfD auf der einen Seite dem sogenannten „Schuldkult“ eine Absage erteilt – man will nicht dauernd an den Holocaust erinnert werden. Andererseits bemühen sich Politiker dieser extrem rechten Partei, in Israel-Freundeskreise aufgenommen zu werden, und treten in Parlamentsreden dafür ein, „im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben“.

Das „Jüdische Echo“ ist seit vielen Jahren für die pluralistische und minderheitenfreundliche Demokratie. Die Geschichte lehrt, dass dort, wo eine Bevölkerungsgruppe diskriminiert wird, es nicht bei diesem „Einzelfall“ bleibt. Der humane Rechtsstaat an sich steht auf dem Spiel.

Fragen zu Asyl und Migration beschäftigen naturgemäß auch die Vertreter der Religionen. In unserer Zeitschrift stellt Oberrabbiner Arie Folger Überlegungen dazu an, dass zwischen den neu Ankommenden und den schon länger hier Lebenden „eine Kultur der Einwanderung ausgehandelt“ werden müsse, „die die Zuwanderung regelt und damit auch einschränkt, damit die Interessen der alteingesessenen Bevölkerung geschützt werden“. All das sei moralisch legitim, aber: „Was weder moralisch legitim noch klug noch im Einklang mit den Grundwerten Europas ist, ist, dabei die Religionsfreiheit und andere Grundrechte der Menschen zu verletzen.“

 

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