Sehr heimisch und doch anders. Vorwort von Leon Widecki

Porträt von Leon WideckiWir Juden sind „Spezialisten“, wenn es um multiple Identitäten geht. Wir fühlen uns zugehörig zu zahlreichen lokalen, internationalen, beruflichen, kulturellen, politischen und freizeitlichen Gemeinschaften. Die meisten österreichischen Juden haben ihre familiären Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion, Polen, Ungarn, Rumänien oder anderswo, die Einwanderung erfolgte nach dem Holocaust vor ein oder zwei Generationen. Und ja: Wir sind bestens integrierte, loyale Bürger/innen unserer Stadt, unseres Landes und Europas, identifizieren uns gleichzeitig mit dem Judentum, seiner Kultur und Tradition, sind religiös oder nicht und die allermeisten bekennen sich auch zu Israel als jüdischen Staat und ideelle Heimat des weltweiten Judentums.

Aber was bedeutet es überhaupt, Jude/ Jüdin zu sein, sich jüdisch zu fühlen? Darauf gibt es viele Antworten. Bei den meisten geht es in erster Linie um Zugehörigkeit und um Identifikation mit einer Gruppe von Menschen, deren gemeinsame Geschichte eine von immer wiederkehrender Verfolgung und Vertreibung ist. Dieser Identifikation liegt also letztlich ein Gefühl der Schwäche zugrunde, gegen das man sich durch Zuflucht zu seiner (Schicksals-) Gemeinschaft verteidigen möchte. Das hat nichts mit Paranoia zu tun. Es ist eben Fakt, dass wir einer zwar durchaus selbstbewussten, aber nach wie vor angefeindeten Minderheit angehören – man denke nur an die zahlreichen Terroranschläge radikaler Muslime gegen jüdische Einrichtungen in Europa und der ganzen Welt.

Unser Chefredakteur Erhard Stackl hat im zweiten Jüdischen Echo, für das er inhaltlich verantwortlich zeichnet, anerkannte Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Disziplinen und Kulturkreisen eingeladen, ihre Blickwinkel zum komplexen Thema „Identität heute“ darzulegen. Jüdische Perspektiven sind  dabei selbstverständlich prominent vertreten.

Mein Dank fürs Zustandekommen dieser Ausgabe geht – wie schon die Jahre zuvor – an unsere Organisationsleiterin Susanne Trauneck, den Falter Verlag und an alle Partner für ihre Förderungen und Ankäufe. Besonderen Dank auch allen Inserenten, deren Botschaften in diesem hochwertigen Umfeld besonders nachhaltig wirken.

Freuen Sie sich auf interessanten Lesestoff. Er wird Sie möglicherweise über Ihre eigene Identität nachdenken lassen.

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