Halb voll oder halb leer?

Vorwort Leon Widecki
Prognosen sind bekanntlich schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen
Das Deutsche Zukunftsinstitut hat versucht, die aktuellen Trends auf einer Landkarte darzustellen. Das Ergebnis ist ein verwirrendes Bild, in dem es keine geraden Linien gibt, weil jede Entwicklung von gegenläufigen Tendenzen unterbrochen und in unvorhergesehene Richtungen gelenkt wird.
Da hat Ihnen jetzt nicht wirklich weitergeholfen? Fakt ist, wir leben in einer hochinteressanten Zeit (was laut einem chinesischen Sprichwort ein Fluch ist), die von Wandel, ja sogar Umbrüchen, geprägt ist.
In der Politik, in gesellschaftlichen Fragen, in der Kommunikation und vielen anderen Bereichen macht sich das für uns alle deutlich bemerkbar. Für viele sind diese Veränderungen und das Tempo, in dem diese stattfinden, Anlass zu Sorge und Pessimismus. Das gilt auch für mein Umfeld. Es fällt mir zunehmend schwerer, Familie und Freund:innen davon zu überzeugen, unser persönliches Glas wäre immer noch halb voll – und nicht halb leer.
Selbstverständlich macht der allerorts manifeste Antisemitismus, oft getarnt als „israelkritischer“ Antizionismus Angst, besonders für kommende Generationen.
Ebenso wie das derzeitige politische Hoch von Despoten und Demagogen, der Klimawandel, sowie die zunehmende Verblödung und Verblendung durch die Sozialen Medien.
Global betrachtet, hat sich unsere Welt aber in vielen Belangen zum Besseren gewandelt. Maßnahmen gegen Säuglingssterblichkeit, Mangelernährung, gesundheitliche Unterversorgung, Ausbeutung der Arbeitsleistung und Armut haben die Lebensumstände von hunderten Millionen Menschen positiv verändert. Und selbst in unserer unmittelbaren Umgebung erlebe ich Positives: Freund:innen und Bekannte rücken näher zusammen, leisten Widerstand gegen Bedrohungen, sind solidarisch und engagieren sich für die richtigen Themen.
In zehn bis zwanzig Jahren werden wir eine Welt erleben, die stark von technologischen Fortschritten geprägt ist. Künstliche Intelligenz wird noch stärker in unseren Alltag integriert sein. Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Mobilität könnten durch innovative Lösungen weitere signifikante Verbesserungen erfahren. Zudem wird der Klimawandel weiterhin ein zentrales Thema sein. Viele Länder, Unternehmen und immer mehr Individuen können verstärkt auf nachhaltige Energien, umweltfreundliche Technologien und Recycling setzen, um die Erderwärmung zu bekämpfen und werden das hoffentlich auch tun.
Insgesamt wird die Zukunft von einer Mischung aus Fortschritt und Herausforderungen geprägt sein. Es wird wichtig sein, wie wir als Gesellschaft und jede:r einzelne von uns auf diese Veränderungen reagieren.
In der vorliegenden 73. Ausgabe des „Jüdischen Echo“ hat Christian Schüller mit großem Engagement und hohem redaktionellem Anspruch hervorragende Autor:innen aus verschiedensten Bereichen gewonnen, sowie Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten geführt, die Ihnen Orientierung geben und Ihren Horizont erweitern werden. Danke auch Susanne Trauneck für ihre organisatorische Meisterleistung unter schwieriger werdenden Rahmenbedingungen und unserem Partner Falter Verlag für anhaltend großes Engagement aller Beteiligten.